Die globale Verschuldung erreicht ein historisches Niveau von mehr als 300 Billionen Dollar. Obgleich diese Summe viel verrät, ist sie vor allem der Motor einer Ideologie der Grenzenlosigkeit in einer Welt voller Risiken und Herausforderungen. In den Zeiten der Zinsrevolution versuchen die Wirtschaftsakteure nun, ihre Schulden zu reduzieren, um solvent zu bleiben. Um nachhaltig stabil zu bleiben, braucht das Finanzsystem nicht nur Wachstum, sondern auch Knappheit… Eine große globale Entschuldung ist allerdings unrealistisch.

Auf Staatsebene können die Schulden auf drei verschiedene Weisen reduziert werden: Mittels Wachstums, mittels Inflation oder indem der Staat den Gürtel enger schnallt. Sehen wir uns diese Optionen im Einzelnen an. Trotz des starken Anstiegs der Teuerungsraten in den letzten Jahren, konnte die Inflation die globale Verschuldung nicht verringern. Von der Gesundheitskrise über den Krieg in der Ukraine bis hin zu den zahlreichen anderen Herausforderungen wirtschaftlicher und sozialer Art rund um den Globus – weltweit stiegen die Schulden unaufhaltsam weiter.

Das globale Wachstum ist trotz der Aufholjagd im Jahr 2021 sehr schwach geblieben und verlangsamt sich zusehends, während das weltweite Gleichgewicht in vielerlei Hinsicht neu austariert wird. Die Deglobalisierung und die geopolitischen Konflikte wirken als zusätzliche Bremse, mit Ausnahme bestimmter Regionen wie beispielsweise Afrika oder Ostasien, wo die starke demografische Entwicklung einen Wachstumsfaktor darstellt. Während die Ungleichheit in der Bevölkerung neue Spitzenwerte erreicht, unterhalten die Staaten zudem umfangreiche öffentliche Ausgabenprogramme, die jeglichen Haushaltsüberschuss verhindern. Auf der anderen Seite könnten sie vor allem auf Steuern als neue Einnahmequelle zurückgreifen, doch die Wirkung wäre kontraproduktiv und hätte vor allem keinerlei Einfluss auf die Natur ihrer wachsenden Schuldenberge. Abgesehen davon liegen die Steuereinnahmen in zahlreichen Ländern im Verhältnis zum erwirtschafteten Wohlstand bereits auf Rekordniveau… wie im Jahr 1939.

Im Privatsektor hängt die Verschuldung der Haushalte und der Unternehmen, sowohl im Finanzsektor als auch außerhalb, in erster Linie vom internationalen Kontext und den Maßnahmen ab, die im jeweiligen Land und von dessen Institutionen umgesetzt werden. Die äußerst günstigen Kreditbedingungen der letzten Jahre und der sinkende Preis des Geldes, der sich daraus ergab, lieferten selbstverständlich einen Anreiz zur Verschuldung. Innovationen der Finanzinstitute, unterstützt von einer beschleunigten technologischen Entwicklung, haben diesen Trend verstärkt. Während die Staatsschulden heute 97 % des weltweiten BIP entsprechen, sind es bei den privaten Haushalten knapp 70 %, bei den Unternehmen außerhalb des Finanzsektors rund 100 % und bei den Banken und Finanzinstituten 80 %. Für die Haushalte und die Unternehmen ist diese Situation unhaltbar, da die große Mehrheit von ihnen weder ihre Schulden verlängern kann wie ein Staat noch mit negativem Eigenkapital operieren kann wie eine Zentralbank. Die wachsende Zahl der Unternehmen, die Insolvenz anmelden, bezeugt dies.

Es stellt sich also die Frage: Wäre es heute möglich, eine große Entschuldung durchzuführen? In der jüngeren Geschichte haben die Jahre nach der Finanzkrise von 2008 gezeigt, dass es nicht möglich ist. In Europa haben sich die Staaten beispielsweise trotz der Einführung von Haushaltsvorschriften, die eine maximale Schuldenquote von 60 % erlauben, weiter verschuldet. Im Zuge des wachsenden Einflusses der Finanzialisierung der Wirtschaft und dem Unvermögen der Zentralbanken, die Realwirtschaft zu unterstützen, setzte sich die Verschuldungsdynamik fort, ohne dass im Gegenzug realer Wohlstand in vergleichbarem Umfang produziert wurde. Während sich die öffentlichen Schulden der Eurozone 2008 auf 65 % des BIP beliefen, sind es heute fast 110 %. Diese Entwicklung ist bei der Mehrheit aller Staaten zu beobachten, insbesondere in den Entwicklungsländern, deren Zugang zum Kapitalmarkt begrenzt ist und die deutlich höhere Kreditzinsen zahlen. Aufgrund ihrer Abhängigkeit von privaten Kreditgebern müssen sie zudem sehr schwierige Rückzahlungsbedingungen in Kauf nehmen, insbesondere im Fall von Umschuldungen[2], was sie noch krisenanfälliger macht. Die staatliche Gesamtverschuldung der Entwicklungsländer hat sich infolgedessen von 35 % des BIP im Jahr 2010 auf 60 % des BIP im Jahr 2021 erhöht. Wenngleich die Gesundheitskrise auch hier eine wichtige Rolle gespielt hat, sind es die aufeinanderfolgenden Krisen, die Kriege und die Herausforderungen aller Art im Allgemeinen, die gleichzeitig zu einem Wachstumsrückgang und einem Anstieg der Schulden geführt haben. Nur wenige Länder konnten diesem Trend entgehen, unter anderem Jamaika, wo seit 2012 Jahr für Jahr ein Haushaltsüberschuss verbucht wird.

Heute besteht das Problem darin, dass der historische Anstieg der Zinsen die Staaten zwingt, ein ausreichend hohes Wachstum zu erzielen, um das Abgleiten in eine Schuldenspirale zu vermeiden. Das gelingt angesichts der internationalen Rahmenbedingungen fast keinem Land. Die empfehlenswerte Lösung ist daher eine Reduzierung der Ausgaben, um das Haushaltsdefizit zu verringern und die Schuldenspirale zu begrenzen, wie zum Beispiel in Frankreich mittels der Reform der Arbeitslosenversicherung. Eine solche Maßnahme bewahrt gleichzeitig das Vertrauen der Wirtschaftsakteure und eine möglichst gute Bonität (die Rating-Agenturen werden ihre neuen Einstufungen im April und Mai veröffentlichen). Schulden sind in erster Linie ein soziales und ideologisches Konstrukt, und kein simpler ökonomischer Fakt. Schließlich sind auch andere, freiheitsbedrohende Lösungen vorgeschlagen worden, beispielsweise eine Zweckbindung privater Ersparnisse an die Staatsschulden, um nur eine zu nennen, was selbstverständlich nichts an der globalen Lage ändern würde.

Da das exponentielle Wachstum ihrer Schulden für viele Länder darauf hinausläuft, dass Zinszahlungen zu einem der größten Posten in ihrem Haushalt werden, bleibt eine Zinssenkung durch die Zentralbanken die zentrale Lösung. Dadurch würden gleichzeitig die Wirtschaft und das Wachstum stimuliert, während der Schuldendienst mittelfristig abnimmt. Die am stärksten verschuldeten Staaten wie Italien, Frankreich, das Vereinigte Königreich etc. bekämen noch etwas Handlungsspielraum, bevor ihnen die Schulden wirklich die Luft abschnüren. Die Gefahr einer solchen Strategie besteht in Zeiten der Preissteigerungen selbstverständlich im Auslösen eines inflationären Teufelskreises, der von den anhaltenden geopolitischen Spannungen und den aufeinanderfolgenden Energiekrisen noch verschärft würde. Diese Lösung ist für die Zentralbanker undenkbar, die entschlossen sind, die Zinsen auf einem ausreichend hohen Niveau zu halten, bis die Inflation endgültig eingedämmt ist – auf die Gefahr hin, eine weitreichende soziale, wirtschaftliche und finanzielle Krise auszulösen. Ein Szenario, das wir in früheren Artikeln beschrieben haben.

Angesichts dieser unmöglich gewordenen Gleichung schlägt die Welt einen tragischen Weg ein, der sich im globalen Anstieg der Militärausgaben spiegelt. Wie die Ökonomin Margrit Kennedy richtig erklärte: „Die Rüstungsproduktion ist der einzige Sektor, in dem der Sättigungspunkt auf unbestimmte Zeit verschoben werden kann.“ Anders gesagt ermöglichen Kriege Zerstörung und Wiederaufbau und schaffen so Wachstum in Zeiten, in denen es daran mangelt. Auf diese Weise sinkt das Schuldenniveau. Infolge der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie aufgrund anderer „eingefrorener“ Konflikte in Taiwan, Nordkorea, Syrien, im Kaschmir oder auf dem Balkan erreichten die Militärausgaben 2023 auf allen Kontinenten zusammengenommen einen Rekordwert von mehr als 2,3 Billionen Dollar.

Um diese Entwicklung zu stoppen, ist eine radikale Reform des Finanz- und Geldsystems dringend notwendig. Daher rührt die besondere Attraktivität von Gold in diesen Zeiten, und auch seine historische Rolle als Geld bezeugt die mehr oder weniger bewusste Erkenntnis, dass unser heutiges Finanzmodell an seine Grenzen gelangt – und dass ein künftiges System auf realen Werten aufbauen muss.

In diesem Wahljahr, in denen in Staaten, die zusammen fast 70 % des globalen BIP erwirtschaften, ein Regierungswechsel bevorsteht, wäre eine solche Reform möglich. Doch müssten auch die Wähler über die Dringlichkeit der Lage informiert sein und den Wandel wirklich wollen. Eine Aufgabe für jeden Einzelnen.

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